MEILENSTEINE
Wie der Fluß, so treibt das Leben,
Lebt von dem, was ihm die Quellen geben.
Und vor fünfzig Meilen sprudelte die Quelle;
Dreißig Meilen dann die Stelle
Wo die Wässer dort sich fanden,
Wo zum Strom sie sich verbanden.
Fließ, mein Fluß, noch fünfzig Meilen,
Fließ! - Auch wenn die Stunden eilen!
Schöne Ufer woll’n wir schauen,
Woll’n uns luft’ge Schlösser bauen,
Woll’n ruhige Buchten finden
Wo wir fester uns noch binden,
Woll’n eins sein, wenn die Mündung dann erreicht,
woll’n wie die Nebel leicht,
der Sonne dann entgegenschweben;
Nebel selbst, und auch mal Regen.
Künft‘ges Leben soll den Acker tränken,
Leben, das einander wir uns schenken.
Rinnsal hier, und Bächlein dort,
So sickern wir von da nach dort,
Und gemeinsam rinnen wir zu jener Stelle,
Zu des Lebens neuer Quelle,
Um im Strom, im Strom der Zeiten
In Ewigkeit dahinzugleiten.
5. September 1995
30 Meilen flußauf
für Veronika (2005)
Eine kleine Bucht, 30 Meilen flußauf. Dicht gepackt die Hausboote, hier vertäut. Angekettet
für ewig, wie es schien. Die Schiffe und die Menschen. Geschäftiges Treiben, sinnleeres
Sorgen. Heute ist morgen, gestern ist heute. Ist dies „das Leben“, liebe Leute?
Beim Landgang sah ich dich, sahst du mich, erblickten wir einander. Es war als brauchten wir
uns weder um Boot noch Steg zu kümmern. Ich feuerte meine Besatzung, blieb ihr die Heuer
schuldig und du kehrtest deiner Kombüse den Rücken, die Töpfe auf dem kalten Herd. Was
sollten uns Taue und Ketten scheren? Was der Ankerplatz? Wie soll uns dies „zu leben“
lehren? Wie fänd man hier den Schatz?
Der Fluß fließt. Flußab, da ist das Leben!
Wir bauten uns ein Floß. Stämme des Traumbaums mit Kußlianen,
Schlinggewächsen, verwoben. Da trieben wir hin zwischen
den Ufern, atmeten die Wälder, liebten die Dörfer,
bestaunten die Städte, durchquerten die Felder.
Viel haben wir, viel Schönes gesehen, gingen vorbei,
ließen es stehen. Geweint, gelacht, - vereint
und doch so manches verkehrt gemacht.
Stromschnellen vor uns. Wirbel warfen das Floß, Riffe rissen die Seile. Traumbaumstämme
brach die Not. Nichts, gar nichts blieb da heile.
Das Unglück kam nach der 10. Meile.
Die Flut riß mich fort, dir nie aus dem Blick entschwunden,
fanden uns am sichren Ort, gestraft mit Flecken und Wunden.
Sieben Meilen war’n wir so getrieben, alles nur zu wissen, daß wir lieben.
Waren die Wunden bald geleckt, auch die Blöße schnell bedeckt, galt es nun ein Boot zu bau’n, auf dem wir uns
gemeinsam trau’n.
Meile 20 stand an Vegebüddels Pier, da legen wir an, hier bleiben wir. Verwandte, Freunde,
Kollegen, des Zeugnisses wegen. Vor allen laut das „Ja“, wir sind immer füreinander da.
Verheiratet sind nun die beiden; schön für sie. Wer sollt’ es Ihnen neiden?
Der Mond quert die Sonne,
kein besserer Garant der ewigen Wonne.
Meile 30 sind flußab wir nun getrieben,
Schatz, wo ist die Zeit geblieben?
10 Meilen schon in unsrem Schiff,
10 Stationen, keine Klippe, kein Riff.
10 Meilen, und auch hier, auch hier,
die Freunde stehen Pier.
Hölzern das Fest, hölzern der Mast,
Dank, daß du durchgehalten hast.
Gemeinsam segeln, nie allein,
Möge Silber uns beschieden sein!
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