Home Geschichten - Du sollst nicht ... zusammenputten

„Du sollst nicht zwei languages zusammenputten!“

So ermahnten die Pennsylvania Dutsch (deutschstämmige Amerikaner) ihre Kinder und drückten damit aus, was Konfuzius 2500 Jahre früher so formulierte: „Zuerst verwirren sich die Worte, dann verwirren sich die Begriffe, und schließlich verwirren sich die Sachen.“
Bliebe zu ergänzen: „Und dann verwirrt es die Menschen!“ Verwirrt ist also der Mensch, der nicht mehr begreifen kann und so die Herrschaft über die Sachen verliert.
Begreifen Sie diese News einer deutschen Airline? „Miles & More führt ein flexibleres Upgrade-Verfahren ein: Mit dem neuen Standby oneway Upgrade-Voucher kann direkt beim Check-in das Ticket aufgewertet werden.“ Sie sind verwirrt? Hier waren clevere sales promoters in action, denen es nicht auf Ihr understanding, sondern auf Ihr cash ankommt. Sind Sie etwa ein loser (ein „o“!)? Lassen Sie sich vom Sky chef verwöhnen! Nein, das ist nicht der liebe Gott, sondern der Pappbrötchenprovider, der das catering besorgt.

Ich würde so etwas als Imponiergefasel abtun, eine Unterform des Dummdeutschen. Da träumt der Kraftfahrer vom Leben als trucker und der Sparkassenbote davon ein banker zu sein. Und wer würde gelangweilt „dauerlaufen“ wenn er doch mit dem Joggen mega in ist?
Man shoppt im store, gambelt beim money maker, ordert den mega coolen summer-Erfrischungs-drink. Ganz schlimm aber ist der Sprachmüll z.B. einer Jill Sander: „Mein Leben eine giving-story, ... muß contemporary sein, das future Denken haben ... die hand-tailored-Geschichte ... mein coordinated concept... die audience hat das supported...“ And so on! - Hier ist offensichtlich nicht nur der Hörer verwirrt! - Da kann ich nur sagen: “That goes me on the cookie(am. Keks)!“

Bedenklich wird es schon, wenn zum Beispiel kein Versuch gemacht wird, das mountain oder trecking bike per Übersetzung „einzubürgern“, und schlimmer, wenn das gute alte Fahrrad durch das bike verdrängt wird, also ein Anglizismus auch da eindringt, wo es eine zumindest gleich gute muttersprachliche Alternative gibt. Noch problematischer wird es, wenn das Deutsche als Wissenschaftssprache untergeht, wenn sich z. B. technische Begriffe sich angeblich nicht ins Deutsche übertragen lassen. Aber was ist treffender, Tragfläche oder wing (was jedes Hähnchen hat), Triebwerk oder engine (was auch eine Lokomotive bezeichnen kann)? Weshalb sind wir die einzigen, deren Sprache nicht in der Lage ist, Begriffe zu entwickeln? Es ist vermutlich die Unlust, sich mit der eigenen Geschichte zu identifizieren, die zum Verfall von Sprache und Kultur führen. Reinhard Mey beendet treffend sein Lied „Poor, old Germany“ mit der Strophe:

„Weiß nicht, was soll es bedeuten“, / deine Worte sterben aus,
sind nicht mehr „in“ bei den Leuten,/ hier spricht alles wie die Micky Maus.
Loreley rettet alleine/ Haarspraywerbung im TV,
sorry for you, Henry Heine,/ sorry, poor old Germany.
Schade für uns, wie ich meine,/ sorry, dear old Germany.

Andererseits: Fremdwörter sind aber keine Unwörter, nur weil sie fremd sind. Oft fehlt es der eigenen Sprache an treffenden, kurzen Begriffen; oft hat man auch versäumt, solche zu finden Hier sollten wir es mit Goethe halten: „Eine fremde Sprache ist hauptsächlich dann zu beneiden, wenn sie mit einem Worte ausdrücken kann, wozu die andere umschreiben muß, ...“ Bedienen wir uns also, wenn es nötig ist. Schließlich kommen 25% unseres Sprachschatzes aus Fremdsprachen. Zur Zeit aber scheint uns eine Flut unnötiger Anglizismen, teils gerufen, teils uns aufgedrängt, uns zu überrollen. Bemühen wir noch einmal Goethe, der meint: „Die Gewalt einer Sprache ist es nicht, daß sie das Fremde abweist, sondern das sie es verschlingt.“ Doch tun wir heute des Guten zu viel. Falls die Anatomie der Sprache einen Magen zubilligt, überkäme diesen vermutlich – gut deutsch – ein Drang zum .... Speien.

Irgendjemand sprach im Hinblick auf diese „englische Krankheit“ vom „denglischen Patienten. Die Situation gleiche einem Akt auf dem Drahtseil „zwischen Klagemauer und Turm von Babylon.“ Auf der einen Seite stehen die, die den Zustand bejammern, auf der anderen jene, die in ihrem blinden Eifer gewollt, ungewollt die Verwirrung stiften. Weltoffenheit verkommt zur Weltbesoffenheit.
Die Sprache ist, schon wegen globalisierender Medien mehr denn je, im Wandel. Wir müssen aber darauf achten, daß unsere Kinder mit ihrem Deutsch von morgen noch das Deutsch von gestern verstehen, Schiller, Lichtenberg, Goethe, Nietzsche oder Schopenhauer. Und daß sie einander überhaupt noch verstehen; sonst drohen Konsequenzen wie einst in Babylon. „....laßt uns ... daselbst ihre Sprachen verwirren, daß keiner mehr des anderen Sprache verstehe. ... und sie ließen ab, die Stadt zu bauen. (1. Mose 11, 7 ff).

Wir sollten den denglischen Patienten reanimieren. Erlangt er sein Bewußtsein wieder, dann sollte er Wortschatz von Wortschund trennen, um dann seine Stadt zu bauen.

Wie sagt doch Goethe? „Die Muttersprache zugleich zu reinigen und zu bereichern ist das Geschäft der besten Köpfe.“ – Alfred Becker

 

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