Home Geschichten - 50 Jahre „MS Markert“

 Am Vorabend des 50. Hochzeittages
Nach 49 Jahren und 366 Tagen Gemeinsamkeit

Scherben klirren vor Eurer Tür,
verraten Euch: "Sie sind hier!"
Wir sechs aus Bremen Nord
ergreifen nun das Wort.

Auf 50 Ehejahre blickt Ihr nun zurück,
wir gratulieren Euch zu Eurem Glück!
Genießt die Früchte Eures Lebens
und seid gewiß, nichts war vergebens.

Klaus, Axel und mich begleiten
die Holden, die uns auf dem Wege leiten.

Hier spricht Veronika, mein bestes Stück:
"Ich wünsche Euch von ganzem Herzen Glück!"

Das meint dem Axel seine Inge:
"Bleibt hübsch gesund und guter Dinge!"

Und das sagt die Inge von dem Klaus:
"Gott schütze Euer Haus!"

Nun greift Ihr schnell zum Besen,
fegt, als sei hier nichts gewesen.

Wir wollen unser Glas nun heben,
hoch lassen wir die Liebe leben,
Dies sei nun euer Toast:
„Ich liebe Dich!
Sag endlich ‚Prost’!“

 

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Die „MS Markert“ 1958 – 2008

Ihr Lieben, Karin & Rolf,
Ihr erhaltet nun, nach 50 Jahren zur See – mal rauh, mal glatt – das Goldene Seefahrtsbuch. Einen solchen Ausweis der Liebe zum Meer und der Treue zum Schiff können nur wenige vorweisen. Als langjähriger Besucher Eures Liegeplatzes weiß ich, daß es bei Euch nicht etwa Trägheit oder Feigheit war, von Bord zu gehen, nein, je schwerer die See desto dichter standet Ihr beieinander. Wenn wir nun mit Euch dieses Fest in Gesundheit und Frische feiern können, dann spricht das dafür, daß Ihr den richtigen Kurs eingehalten habt. Wir, Eure Gäste, freuen uns mit Euch und wünschen Euch Glück auf dem weiteren Weg.

Begleiten Sie mich jetzt, liebe Festversammlung, an Bord des Traumschiffs, auf dem die beiden zu Hause sind. Es ist schon ein betagteres Fahrzeug, - wie sonst hätte man darauf das Goldene Patent machen können? Es war so um 1940, als es vom Stapel lief und am Ausrüstungskai festmachte. Vielleicht ein KdF Schiff, wer weiß? War es so, dann fehlten natürlich nicht markige Ansprachen, fröhlich-laute Marschmusik und Fahnen. Sicher feierten die Werftarbeiter und das gemeine Volk mit Würstchen und Bier, das gab es noch reichlich. Auch Champagner und Austern aus Frankreich wurden gereicht, aber das nur an die besonders Geladenen in den schnittigen braunen und schwarzen Uniformen, bestückt mit Parteiabzeichen, Orden und Ehrenzeichen. Was kann das Schiff dafür?

Als alle Gäste gegangen waren – die einen, weil es nichts mehr zu essen gab, die anderen, weil sie zur nächsten Veranstaltung mußten, um mehr Champagner und Austern zu naschen, da hockte am Ausrüstungskai ein kleines Wesen, ein Mädchen. Genau hingeschaut: ein Klabautermädchen. Die Kleine ließ ihre Blicke sehnsüchtig die Bordwand hochwandern, so sind Klabauterkinder nun mal. Die breite Gangway hatten die Werftarbeiter weggerollt und in der Halle eingeschlossen, bevor sie sich mit unsicherem Gang oder kurviger Fahrradspur auf den Heimweg machten.

Ratlos blickte sich das Kind um. Dahinten, zwischen den Wildrosen, stand ein alter ein älterer Mann. Seinem Aussehen nach war er ein Matrose, blaue Seemannskluft, ein Akkordeon auf dem Rücken, Pfeife im Mund einen schweren Hammer in der Hand.
Schaute man genauer hin, so verrieten ihn sein roter Haarschopf und die grünen Zähne als Klabautermann. Sein breites Grinsen hatte dem fröhlichen Alten den Spitznamen „der Alte Fröhlich“ eingetragen.
„Da, sieh mal, die Ankerkette, Karin. Die ist doch kein Problem für ein Klabauterkind!“ Er ließ seinen Blick über die Mole gleiten.
Karin hangelte sich an der rostigen Kette hoch, schlüpfte durch das Ankerauge (das ist die Klüse) ins Schiff und guckte suchend nach draußen. Niemand zu sehen. „Nun denn, dann muß ich mich eben alleine zurechtfinden,“ murmelte sie. Und so hüpfte sie treppauf bis auf die Brücke und treppab bis in den Maschinenraum, zeigte hierhin „meine Kombüse!“, dahin „meine Messe“ und dorthin „meine Koje“. „Und dort machen wir Musik.“
Klabauterleute können im Dunklen sehen, und so fertigte sie einen schönen Aufriß wie alles so sein sollte. Aber wie sollte sie das den Schiffszimmerleuten beibringen? Ihr Vater, der oft zum nächtlichen Akkordeonkonzert an Bord kam, meinte nur: „Wenn der Richtige kommt, dann kriegt ihr das schon geregelt. Und damit er weiß, mit wem er es zu tun hat, nenne ich den Kahn „Fröhlich“. Ein paar Pinselstriche und das Boot war getauft.

Und der Richtige kam. Ein junger Mann, der die Tanks reinigen und nach dem Rechten sehen sollte.
„Den will ich, den oder keinen!“
Das Klabautermädchen hatte Gänseblümchen vor den Augen und bunte Schmetterlinge im Bauch. Der junge Mann – natürlich konnte er sie nicht sehen – machte sich an Bord unentbehrlich. Ja man ließ ihn planen und machen, denn die Handwerker mußten sich nun um die Schlachtschiffe kümmern, und als die nicht mehr gebraucht wurden, mußten sie den Hafen wieder aufbauen.

Der junge Mann beschloß an Bord zu bleiben und es sich hier gemütlich zu machen. Sein sächsischer Akzent verriet, daß er „herübergemacht“ hatte.
„Hier kommt der Weinbunker hin, dort die Messe, dort die Koje. Eine Kombüse?
Überflüssig! Das ist Weiberkram! Aber ein Schwimmbecken, das wäre mein Traum. Doch das werde ich armes Schneiderlein mir nie leisten können.“
„Und wo spielt die Musik?“ Erschrocken drehte er sich um. Niemand da. Aber die Stimme?
„Ich glaube, ich habe zu viel ‚geweint‘. Fehlt nur noch, daß ich Gespenster sehe!“

Und so beugte er sich wieder über seine Entwürfe. Abends legte er seine Pläne auf den Tisch in der Messe, und wenn er morgens aus der Koje kroch, sahen die etwas anders aus. Es gab eine Kombüse und eine Musikecke, Ein Bücherregal und ein …. Kinderbettchen! Unbegreiflich!

So beschloß er, in der kommenden Nacht nur so zu tun, als ob er schliefe. Fast wäre er doch entschlummert, da huschte ein Schatten – wie aus dem Nichts gekommen – an ihm vorbei zum Schreibtisch. Die Papiere wurden gedreht und gewendet. Dann aber rutschte dem Klabautermädchen die Kappe vom Kopf und wurde damit sichtbar. Klabauterkinder wachsen schnell heran, und so war sie tatsächlich eher eine Feenmädchen als ein Koboldkind. Der junge Mann bekam fast einen Herzanfall. „Die muß ich mir mal näher ansehen!“
Aber um so eine Jungfer einzufangen, braucht man ein Zauberlied. Der Spion auf der Matratze grübelte und grübelte. Da stand sie im Schein der Kajütenlaterne über die Papiere gebeugt und zeichnete ihre Träume auf. Ob ihr Herz wohl auch so laut pochte wie seins? – Ihr Herz? Das ist es! Er suchte Worten und fand sie.
Und so trällerte er:

Ich möcht' gern dein Herz klopfen hör'n
dazu brauch' ma keine Latern.
Wir brauchen kein Kerz' und kein Licht,
wann's Herzerl heimlich spricht.

Und sagst dann du hast mich so gern
dann leuchten zwei Augen wie Stern
schöner als all die andern
die am Himmel droben wandern
drum brauch' ma koa Laterndl
Dirndl willst, wir löschen’s aus.

Die Überraschung war gelungen. Karin ließ die Papiere fallen und ergab sich ohne Widerrede. Rolf – so hieß der junge Mann – hatte das schlanke Ding fest im Griff und dachte: Die will ich haben. Die oder keine!
„Ich versichere Ihnen meine Liebe!“ flüsterte er, ein Satz, den er später auch zu anderen Frauen sagen würde, nur dann in der Form: „Ich versichere Sie, meine Liebe!“

Wegen der Gänseblümchen und Schmetterlinge bedurfte es auch keiner großen Überredungs-künste, und so zog sie ihr Blüschen hoch, und flötete:
„Willst du mein Herz klopfen hör’n?
Dazu brauchst Du keine Latern
Du brauchst kein Kerz' und kein Licht,
wann's Herzerl heimlich spricht.

Klabauterkinder sind eben nicht nur fröhlich, sondern auch ganz folgsam und gaanz lieb.
„Packen wir es an!“ flüsterte ihr Held. Und so suchte sie nach dem Hammer – den für den Schiffbau meine ich – und werkelte mit ihrem Rolf, daß es eine reine Lust war. Was da so entstand, wurde allmählich ihr ganz eigenes Schiff: Eine kleine, aber unheimlich produktive Kombüse, eine große Messe mit Tischen und Sesseln für die vielen Freunde, die sie haben würden, ein unerschöpflicher Weinbunker (heute als St. Heußler* Halle bekannt), eine Empore für die Musik und eine kuschelige Koje für zwei, obwohl das gegen die Klabauter-Moral war. Wenn Rolf die Zweifel überkamen (wie soll ich das bezahlen, ich bin doch geen Aggademiga), dann beruhigte ihn sein Klabautermädchen auf ihre sanfte Art. „Du bist der Größte!“ was angesichts seiner Körperlänge nicht übertrieben war.
„Du könntest doch,“ meinte sie, „für die HPF arbeiten und AWG-Scheine verkaufen.“
„HPF? AWG? Was ist denn das?“ wollte Rolf wissen und blickte das Klabautermädchen etwas ratlos an.
„Das ist die Hokus-Pokus-Fidibus, du Dummerchen! Alle Menschen brauchen deren ‚Alles-Wird-Gut-Scheine’, nur wissen sie es nicht. Und das mußt du ihnen klar machen.“
„Ich verstehe rein gar nichts. Was wird gut?“
„Also paß mal auf: Siehst du, hier zum Beispiel meinen Klabauterhammer. Wenn ich mir den auf meinen Fuß fallen lasse und zum Arzt muß, dann zahlt das die HPF-Krankenkasse. Wenn ich den jetzt auf deinen Fuß fallen lasse, dann …“
„Untersteh dich!“
„Nein, ist ja nur ein Beispiel. Wenn es dein Fuß ist, zahlt die HPF Privat-Haftpflicht.“
„Und wenn wir uns streiten, wer Schuld hat?“ fragte der Größte etwas ungläubig.
„Dann zahlt die HPF Rechtschutz deinen Anwalt, - und die Prozeßkosten, falls du verlierst.“
„Ich soll verlieren können?! Paß auf das ich nicht mit dem Hammer nach dir werfe!“
„Kein Problem“, erwiderte die Schiffsbraut. „Du kannst sowieso nichts mit meinem Hammer anfangen. Wahrscheinlich landet das Ding in einem Schaufenster, und dann zahlt HFZ, die Hammerflug-Zusatzversicherung.“
„Das klingt gut,“ meinte Rolf. „Aber was, wenn du den Hammer wirfst?“
„Wenn ich ihn dabei verbiege, zahlt die HPF-Hausrat, wenn ich dich treffe, die HPF-Leben. ……. An mich!“

Und so kam es, daß Rolf ein HPF-Agent wurde und viele „Alles-Wird-Gut-Pakete“ verkaufte, wodurch es ihm möglich wurde, das ersehnte Planschbecken auf dem Achterdeck in Auftrag zu geben. Und nun kamen wieder die Handwerker an Bord, bohrten und sägten, daß man seine reine Freude am Müll haben konnte. Und noch heute, als älterer Herr, macht er jedem bewußt, daß Hokus-Pokus-Fidibus kein fauler Zauber ist, sondern eine Lebensnotwendigkeit. Ich kann euch versichern, das stimmt. Wenigstens für den einen, manchmal aber auch für den anderen, im schönsten Fall für beide.

1958 war das Schiff weitgehend seetüchtig, wenn auch längst nicht fertig. Nun hatte Rolf soviel Treibstoff gebunkert – andere würden es Triebstoff nennen – daß es ihn nicht mehr am längst vergessenen Ausrüstungskai hielt. Und so holte er den Anker ein, um mit der „Fröhlich“ auf Jungfernfahrt zu gehen. Am Anleger standen die Freunde, warfen Blumen hinterher und winkten. „Allzeit gute Fahrt!“ „Mast- und Schotbruch!“ Und sie sangen „Junge, komm bald wieder …“, denn das war der Schlager jener Tage. Freddy Quinn. Da wurde selbst das Klabauterfräulein schwach.

Ohne in die Einzelheiten zu gehen, sollte ich doch anmerken, daß die “ MS Fröhlich“ – so hieß der schmucke Dampfer ja noch – bei einem waghalsigen Manöver gegen die Hafenmauer gebumst war. Vielleicht ist es bei Klabauterfrauen so, jedenfalls war der Bug nicht eingebeult. Im Gegenteil. Das mag an der Statik der “ MS Fröhlich“ liegen, aber die Delle wurde zur Beule, und als die beiden im Hafen der Ehe einliefen, wo die „MS Fröhlich“ in die „MS Markert“ umgetauft wurde – MS steht für Mutterschiff – da lief dann auch ein kleines Beiboot, die „Claudia“ vom Slip. Und wie es nun mal in Märchen ist, so wachsen auch die Schiffe heran. Die „Claudia“ ist heute ein schmuckes Schulschiff, das unter dem Kommando von Kapitän Manni fährt.

Die „Markert“ mußte in den vergangenen 50 Jahren durch manche schwere See, schrammte an der einen oder anderen Klippe vorbei und saß bei Niedrigwasser auf dieser oder jener Sandbank fest. Freude und Leid sind Geschwister, und ohne das eine ist das andere nicht zu haben. Gewöhnlich aber kreuzt sie unter südlicher Sonne, kennt die Palmen-strände der Karibik und die Eisberge der Antarktis. Sie legt in den Häfen der Welt an, wo Karin in den Basaren die Kleider und Handtaschen, Schuhe und Schmuck mit Kennerblick prüft. Und mit einem Zauber-wort hat sie’s schon: „Rolli, mein Schatz, in meinen Klamotten seh ich aus wie Modda Moff!“ Karins Kleiderschrank ist daher so etwas wie die Uno-Vollversammlung.

Immer wenn die „MS Markert“ zum Heimathafen zurückkommt, dann geben Karin und Rolf ein Fest mit allem, was die Kombüse hergibt und für alle, die in der Messe Platz finden, Verwandte, Nachbarn und Freunde. Über das Deck zieht dann der Geruch von Gegrilltem, auf den Tischen Salate, Brote, Früchte, Kuchen und was das Herz sonst noch begehren könnte. Ist die Meute satt, dann greift Karin zur Quetschkommode. Mal steht sie allein auf der Musikempore, mal spielt sie auch mit Romeo und seinem Damentrio.
Und noch ein Gläschen Wein, und noch eins.
„Möchtest du Wasser?“
„Nein danke! Ich muß noch Auto fahren!“
Und wenn dann noch ein glutroter Sonnenuntergang den Abend beendet, dann gehen wir mit guten Gefühlen von Bord. Dankbar wünschen wir Euch allzeit gute Fahrt, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.

Die Geschichte Eures Traumschiffs soll noch viele Logbücher füllen, wobei wir gerne den einen oder anderen Absatz in farbiger Tinte hinzufügen möchten. Wenn eines fernen Tages eine Märchentante daraus vorliest, dann sagt sie:
„Es war einmal ein Schiff, auf dem hauste ein Klabautermädchen mit seinem Schifferklavier…“ und schließt wohl mit den Worten:
„Und wenn die „MS Markert“ nicht gesunken ist, dann kreuzt sie heute noch.“

*Winzer Heußler, damals Weinbetanker der "MS Markert"

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  Claudia

Fünf Jahrzehnte sind vergangen,
ach, wie schnell die Uhr doch tickt,
als mit Hoffen und mit Bangen,
Claudia das Licht der Welt erblickt.

Heute ist sie eine reife Frau,
wohl bewährt in Job und Ehe,
weiß sie doch sehr genau
um beider Wohl und Wehe.

Sie ist der Eltern Augenstern,
und des Mannis braves Weib,
all wir Freunde sehn sie gern,
wünschen uns, daß es so bleib’.

50 Jahre, die dir noch beschieden,
sei das Glück dein treu’ Begleiter,
goldne Stufen auf der Lebensleiter,
bleib gesund und leb in Frieden.

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Eiserne Hochzeit (65 Jahre)

Karin und Rolf, ihr lieben beiden,
ewig schon mögt ihr einander leiden.
Wie 65 Jahre es beweisen,
die Liebe ist nun reines Eisen!
Trotz Regen, Schnee und Frost,
nicht die geringste Spur von Rost!
Euer Glück wärmt auch die Freundesrunde,
versammelt heut zu dieser schönen Stunde.
Um nun zu danken für das was war,
sind wir vereint mit Euch, dem Jubelpaar.
Und dass es viele Jahre noch so weitergeht,
Das wünschen Euch
Vroni und Fred
27. Juni 2023

 

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